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Wie viel Zeit bleibt für die Entwicklung des Weines – Auswirkung von Klär- und Filtrationsmaßnahmen |
Vortrag von Ulrich Hamm, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, anlässlich der 58. Kreuznacher Wintertagung 2014 Häufig werden die Abfülltermine für die Weine auf Grund von vermarktungs- und vertriebstechnischen Überlegungen festgelegt. Die oenologische Betrachtung spielt leider oft eine untergeordnete Rolle. Die Weine werden dann abgefüllt, wenn der Markt diese verlangt und der Ausbau der Weine auf diesen Termin abgestimmt. Während im Weinbau die Vegetation und der Reifeverlauf das Tempo vorgeben, scheint die Reife und Entwicklung der Weine im Keller keine Rolle zu spielen. Doch wie viel Zeit ist eigentlich auf dem Weg von der Traube zum abgefüllten Wein tatsächlich notwendig? Die moderne Kellertechnik bzw. die Verfügbarkeit von Hefen, Bakterien, Schönungsmitteln und Hilfsstoffen verschiedenster Art ermöglicht es einen „Turbo-Wein“ innerhalb von drei Wochen auf die Flasche zu bringen. – Der erste Wein des aktuellen Jahrgangs kann demzufolge bereits Mitte Oktober vermarktet werden. Da hat man ja das Vorbild Beaujolais primeur um satte vier Wochen geschlagen – doch ist dieses Wettrennen in der Weinbereitung überhaupt sinnvoll und leidet nicht die Weinqualität deutlich unter der Schnelligkeit? Sollte man den Weinen nicht ausreichend Zeit zum Reifen und Entwickeln lassen? Vielleicht sogar genauso lange wie für das Entwickeln und Reifen der Trauben? Die Wahrheit liegt wie so oft (für die allermeisten Weißweine) in der Mitte. In der Kellerwirtschaft ist "Eile mit Weile" angesagt. Es kommt aus oenologischer Sicht nicht auf die gesamte Ausbauzeit an, sondern viel mehr um zeitliche Abstimmung der einzelnen Phasen während des Weinausbaus. Durch einen Verzicht auf die meisten Behandlungsmittel und modernste Kellertechnik liegt man oft auf der sicheren Seite: Vorklärung, Gärung und Stabilisierung der Weine laufen im Normalfall automatisch ab. Man muss den Weinen einfach nur die ausreichende Zeit geben und erspart sich hierdurch viel Arbeit und Kosten. Flotation, Enzymeinsatz, Hefeauswahl, Bentonit, Komplexbildner und Filtrationstechnologie helfen den Weinausbau schneller, sicherer und reproduzierbarer zu gestallten, heben aber die Gesetzmäßigkeiten der Chemie, Biologie und Physik nicht auf. Daher muss deren Einsatz mit dem entsprechenden Maße und vor allem mit Weitsicht erfolgen. Betrachtet man in diesem Zusammenhang zunächst einmal den Bereich der Vorklärung, so haben zahlreiche Versuche der vergangenen Jahre gezeigt, dass durch eine schnellere Vorklärung (ob mit Hefefilter oder Flotation) deutlich höhere Vorklärschärfen erzielt wurden. Die Konsequenz hieraus sind häufig langsame, schleppende Gärungen oder gar Gärunterbrechungen. Das bedeutet in den allermeisten Fällen, dass die moderne Vorklärung einen erhöhten Zeitbedarf für die Gärung zur Folge hat. Die wird durch den pauschalen Enzymeinsatz noch verstärkt. Enzyme im Bereich der Traubenverarbeitung und Mostvorklärung sind durchaus sinnvoll, wenn es darum geht hohe Pektingehalte in kürzester Zeit aufzuspalten. Derartig hohe Ausgangsgehalte kommen aber eigentlich nur in nicht vollständig ausgereiftem Traubenmaterial oder bei pektinreichen Sorten, wie zum Beispiel Silvaner, vor. In allen anderen Fällen reichen die traubeneigenen Enzyme und etwas mehr Zeit bei der Traubenverarbeitung und Vorklärung aus, um ggf. mit Kohle, Gelatine, Kieselsol und Bentonit ausreichend zu klären. Bentonit mitzuvergären, um bei blanken Mosten noch eine vernünftige Gärung durchführen zu können, war in den meisten Versuchen nicht sinnvoll. Nach der Gärung führt eine längere Lagerung auf der Feinhefe zwar unumstritten zu mehr Fülle und zu weicheren, runderen Weinen. Die kolloidale Struktur in den Weinen ist also die Grundlage für das „Mouthfeel“ der Weine, unterbindet allerdings in gleichem Maße die Selbstklärung und Stabilisierung der Weine. Hier liegt also ein klarer Interessenskonflikt vor. Füllige und ausgewogene Weine oder klare stabile Weine? Die Entscheidung hängt daher in erster Linie vom Fülltermin und dem angestrebten Weintyp ab. Bei einer frühen Füllung ist es absolut notwendig, den Wein relativ zeitnah nach der Gärung zu klären und zu filtrieren, damit eine ausreichende Selbststabilisierung bezüglich Weinstein, Eiweißgehalt oder Schwefelstabilität noch ablaufen kann. Es besteht natürlich auch die Möglichkeit durch CMC, Bentonit, Gummi arabicum etc. die Stabilisierung auf chemischem Wege herbeizuführen. Dies sollte allerdings lediglich bei einfachen Konsumweinen umgesetzt werden, ein höherer Qualitätsanspruch schließt diese Möglichkeiten eigentlich aus. Der Zeitpunkt der Filtration definiert demzufolge, wie lange wir ein relativ stabiles System im Wein haben und ab wann eine Instabilität vorliegt, welche spätestens zum Abfülltermin überwunden sein sollte. In Abhängigkeit von der Filtrationsart werden unterschiedlich stark Trubstoffe, Kolloide und Mikroorganismen aus dem Wein entfernt. Die Anschwemmfiltration hat auf Grund der hohen Porosität der Kieselgur eine sehr hohe Trubrückhalterate und Filtrationsleistung. Mikroorganismen und Kolloide werden zwar abgereichert, aber nicht vollständig entfernt. Hierdurch wird eine Klärung erzielt, die Stabilisierung der Weine wird aber lediglich gefördert. Durch die dreidimensionale Struktur von Filterschichten werden deutlich mehr Kolloide zurückgehalten und somit die Stabilisierung beschleunigt. Durch Membranprozesse, wie Crossflow-Filtration und Membranfilterkerzen, werden sowohl Kolloide als auch Mikroorganismen nahezu vollständig zurückgehalten. Dies führt zum einen zu einer zügigen Kristallausscheidung und Eiweiß-Stabilisierung, jedoch sind auch plötzlich die „wertgebenden“ Kolloide aus der Hefelagerung weg! Eine Feinhefelagerung über mehrere Wochen und daran anschließende mehrfache Filtration und Abfüllung über eine Membranfilterkerze entbehren daher jeglicher Logik. Eine frühere Klärung/Filtration nach der Gärung ermöglicht meist einen ausreichenden Zeitraum von 6 bis 8 Wochen zu Stabilisierung von Weinstein, Eiweiß und Schwefel. Nach Verschnitten und Schönungsmaßnahmen ist dieser Zeitraum erneut einzuhalten. Eine derartige Vorgehensweise spart letztendlich Zeit, Material (Filtermedien/Schönungsmittel) und ermöglicht, einen Weinausbau innerhalb von 3 bis 4 Monaten ohne die Weinqualität nachteilig zu beeinträchtigen. |
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