Wasserdefizit im Boden – Folgen für den Wein ?

Vortag von Udo Bamberger zur 50. Kreuznacher Wintertagung 2006


Vergleicht man die phänologischen Daten der Reifeentwicklung in den letzten 15 Jahren, so erkennt man, dass sich hier deutliche Veränderungen vollzogen haben. So werden die Trauben jetzt früher reif, erreichen insgesamt höhere Mostgewichte und haben niedrigere Säurewerte bei der Lese. Auf den ersten Blick sieht diese Tendenz erfreulich aus, dennoch muss diese Entwicklung aber auch mit ein wenig Skepsis betrachtet werden, denn gerade die Weine aus den nördlichen Weinanbaugebieten benötigen, um gut zu sein, keine extremen Ausgangsmostgewichte. Auch bekommen sie ihren Charakter in starkem Maße von einer gleichmäßigen und langen Ausreife der Trauben am Stock.

Die frühere Reife hängt ursächlich mit den höheren Durchschnittstemperaturen und den geringeren Niederschlägen zusammen. In niederschlagsarmen Jahren gibt es aber immer häufiger Rebstöcke, die vorzeitig mit Blattverfärbungen und Blattfall reagieren. Oft hängen an diesen Stöcken goldgelbe Trauben, die höchste Qualitäten versprechen, deren analytischen Werte aber schnell zeigen, dass der erste Anschein trügt. Das Innere der Trauben ist sehr markig, die Traubenkerne sind schon früh braun verfärbt und der Mostgeschmack weicht schon mehr oder weniger stark von dem normaler Moste ab. Die Saftausbeute der Trauben und damit die Erträge sind sehr ernüchternd und in keinem Falle wirtschaftlich einzustufen.

Die Trauben bleiben bis zur Lese relativ gesund, schließen aber schon sehr früh ihre Reifeentwicklung ab. In den letzten 4 – 6 Wochen vor der Lese bleibt daher das Mostgewicht nahezu auf demselben Wert und nur selten werdenreichen sie am Ende 80° Oe erreicht. Die Säurewerte sind frühzeitig ungewohnt tief, wobei vor allem die Apfelsäure deutlich reduziert ist. Oft kann man bei der Lese Gesamtsäure - Unterschiede von 2 – 3 g/l zu normal entwickelten Trauben feststellen. So gab es in 2005 Riesling-Trauben, die am Ende in der Gesamtsäure bis auf 5,1 g/l abgesunken waren. Ein weiterer Parameter für die Reifeentwicklung ist der Tanningehalt in den Trauben. Bei Trockenstress erhöhen sich die Werte je nach Stressintensität um bis zu 100%. Die hohen Tanningehalte im Most erklären dann auch die massiven Bittertöne, die bei der Mostsensorik vorzufinden sind. Auch der hefeverwertbare Stickstoff gibt Auskunft über die Versorgung der Moste. Bei Wasserstress entstehen auch hier offensichtlich Defizite bei der Einlagerung. Nicht selten liegen die Werte weit unter 100 mg/l - eine Größenordnung, die letztlich problematisch sein könnte, da der Gehalt des hefeverwertbaren Stickstoffes im Zusammenhang mit Gärproblemen und UTA-Bildung diskutiert wird. Probiert man im Herbst die Trauben ganz intensiv, so fällt auf, dass sie nicht nur bitterer schmecken sondern auch eine sehr geringe Aromaausprägung haben. Die Einlagerung der Aromen in der letzten Reifephase, eine Besonderheit in den nördlichen Klimaten, scheint auch hier gestört zu sein. Dies ändert sich auch nicht bei langer Hängezeit. Die Wasserknappheit im Boden nimmt somit mehr oder weniger starken Einfluss auf die Rebe. Sie führt zu deutlichen sensorischen und analytischen Veränderungen im Most. Die Auswirkungen auf den späteren Wein werden daher derzeit intensiv untersucht.

Verfolgt man die Entwicklung bei fortschreitender Reife, so stellt man fest, dass sich die Bittertöne zwar im Geschmack vermindern, ganz weg gehen sie aber nie. Selbst nach der Gärung sind sie noch deutlich schmeckbar und bestimmen später den Charakter des Weines. Bereits Anteile von 5 – 10% dieser Trauben können im Gesamtgebinde schon einen starken Einfluß auf den späteren Weingeschmack nehmen. Bei Teilbefall in der Parzelle empfiehlt sich somit eine selektive Lese, um den möglichen Problemen entgegenzutreten. Auch Gerbstoffschönungen im Moststadium (Gesamtgebinde oder Anteile aus der selektiven Lese) sind absolut empfehlenswert. Bereits beim Jahrgang 2003 haben sich Hausenpaste- Schönungen zwischen 50 – 100 ccm pro hl bewährt. Auch die neuen Kombinationsmittel auf Kaseinbasis bringen mitunter gute Erfolge. Eine spätere Lese macht die Bittertöne zwar erträglicher und senkt den Schönungsbedarf deutlich, die Analytik bleibt jedoch unbefriedigend und die Aromenausprägung bis zum Schluss enttäuschend.

Die Stärke der nördlichen Klimaten sind hohe Gehalte an aromawirksamen Substanzen. Sowohl die mangelhafte Reifeentwicklung als auch die veränderten klimatischen Bedingungen wirken sich also auf die Aromenbildung aus. Läßt man die Trauben sehr lange hängen, sinken sogar die Mostgewichte ab. Der Mostgeschmack wird immer belangloser – letztlich schmeckt er weder süß noch sauer – es bleibt ein pelziger Geschmack am Ende ein pelziger Geschmack übrig. Es bleibt am Rande zu erwähnen, dass die Moste nach der Schönung selbstverständlich mit Gärnährstoffen und 15 – 20 g/hl Reinzuchthefe vergoren werden sollten. Das Potenzial der Weine aus Wasserstress – Trauben bleibt begrenzt. Soweit es gelingt, den hohen Phenolgehalten Herr zu werden, sind sie jedoch später im Verschnitt noch gut verwendbar.

Offensichtlich zeigt selbst die tiefwurzelnde Rebe bei Wasserknappheit Stresssymptome. Es sind dies wohl Notreifereaktionen wie sie auch bei anderen Früchten und bei Getreide in Trockenphasen zu beobachten sind. Dies hat Folgen für die Analytik und die Sensorik des späteren Weines. Mostschönungen sind ratsam, sie stellen letztlich aber auch nur Reparaturmaßnahmen dar. In keinem Fall sind die Trauben, so verlockend sie auch aussehen, mit normal gereiften Trauben vergleichbar. Wertet man die Zusammenhänge, so kann man feststellen, dass die Ergebnisse aus der Sicht des Winzers doch sehr ernüchternd sind. Aus der Sicht der Rebe sind diese Reaktionen jedoch verständlich. Sie möchte eigentlich nur ihre Nachkommenschaft über Samen/Kerne sicherstellen, die Erzeugung von Wein war in ihrer Schöpfungsgeschichte sicher nicht vorgesehen.

Wasserdefizit bei Reben waren bei uns bisher die Ausnahme. Die vergangenen Jahre haben aber gezeigt, dass eine Anhäufung niederschlagsarmer Jahre auch bei der Rebe Auswirkungen haben kann. Die Folgen für Trauben, Moste und Weine sind bisher wenig untersucht – bei näherem Hinsehen sind sie jedoch offensichtlich. Neben den analytischen und sensorischen Defiziten im Produkt müssen natürlich letztlich auch die wirtschaftlichen Konsequenzen mitbedacht werden. Bei deutlich niedrigeren Erträgen gerät am Ende sogar der Betriebserfolg in Gefahr. Es bleibt zu hoffen, dass diese Bedingungen recht selten bzw. immer nur flächenbegrenzt vorkommen, sonst gibt es neben den sensorischen auch wirtschaftliche Probleme in den Betrieben.

Zur Bereitung hochwertiger Weine wünscht sich der Kellerwirt optimal ausgereifte Trauben. Aus den dargestellten Gegebenheiten lassen sich natürlich sehr schnell auch Forderungen ableiten, um dem Ziel optimale Weinbereitung auch entsprechen zu können. Die Weinbereitung beginnt selbstverständlich auch und gerade unter diesen Bedingungen im Weinberg und somit wäre hier zu allererst zu prüfen, inwieweit über weinbauliche Maßnahmen (Rebe und Boden) die verfügbare Wasserkapazität letztlich für die Traube verbessert werden kann. Sollte sich dabei herausstellen, dass es aber je nach Bodenbedingungen und Pflanzenzustand Grenzen gibt, so ist die Qualitätsentwicklung der Moste / Weine gegebenenfalls sogar mit der Zufuhr von Wasser über eine evtl. Beregnung sicher zu stellen. Anleihen hierzu könnten sicherlich bei anderen Kulturen bzw. in Nachbarländern genommen werden. Selbstverständlich sind dabei im Vorfeld die rechtlichen Rahmenbedingungen zu prüfen. Eine EU-weite rechtliche Gleichbehandlung über alle Kulturen hinweg wäre hier begrüßenswert – gegebenenfalls wäre sie sogar aus Winzersicht einzufordern. Sollten sich die klimatischen Bedingungen nachhaltig ändern, so könnte dies auch in Zukunft Auswirkungen auf die Flächenauswahl im Gebiet / in den Betrieben haben. Wünschenswert wäre hier allerdings, dass mögliche Diskussionen und Neubewertungen dann aber sachlich und lautlos geführt werden und nicht unnötig ein weinkultureller Kahlschlag bei imageträchtigen und weltberühmten Lagen vorgenommen wird – alle Winzer würden sonst dabei verlieren!


udo.bamberger@dlr.rlp.de     www.DLR-RNH.rlp.de