Spontangärung - Trend oder Tradition?

Vortrag anläßlich der 52. Kreuznacher Wintertagung 2008

Die Diskussion im Bereich der Gärung war in den letzten Jahren häufig von der Frage: „Reinzuchthefegärung oder Spontangärung“ bestimmt. Zweifels ohne ist die Sicherheit und die Zuverlässigkeit der Reinzuchthefen für einen ökonomisch wirtschaftenden Betrieb ein entscheidender Vorteil. Um sich am Weinmarkt jedoch zu profilieren werden eigenständige, reintönige und unverwechselbare Weine benötig. Die Uniformität der mit Reinzuchthefen vergorenen Weine scheinen zunächst diesen Anforderungen des Marketings zu widersprechen.
Aus diesem scheinbaren Widerspruch ergibt sich nun der Ansatz die Sicherheit der Reinzuchthefen mit der Diversität der Spontanflora zu kombinieren. Oder umgekehrt die Spontanflora zu „zähmen“. Entscheidend ist zunächst die Selektion von geeigneten Hefestämmen aus der Spontanflora und der Mut, diese mit dem „Lieblingskind der Winzer“, den Saccharomyceten zu kombinieren. Je nach Art der Kombination liegt es dann beim Winzer, ob mehr oder weniger steuernd in die Gärung eingegriffen werden soll. D. h. die Vinifikation letztendlich mehr der Spontangärung oder mehr der Reinzuchthefegärung entspricht. Die folgende Handlungsalternativen sind hierbei durchaus als praktikabel zu erachten:


1. Beimpfung mit Mischkulturen aus Saccharomyceten und Nicht-Saccharomyceten.


Abb. 1: Mehrstammkulturen


2. Spontane Angärung und Überimpfung mit gärstarken Reinzuchthefen.

3. Beimpfung mit Nicht-Saccharomyceten und Überimpfung mit gärstarken Reinzuchthefen.



Abb. 2: gestaffelte Beimpfung


4. Verschnitt von Spontangärung mit Reinzuchthefegärung.


Abb. 3: Verschnitte


Hinsichtlich dieser oenologischen Verfahren herrscht ein weitgehender Konsens bei den Kellerwirten: sie sichern die Qualität und minimieren das Risiko. Daher überwiegt im eigentlichen die emotionale Ebene in der Diskussion um die Spontangärung. Dies verdeutlicht auch, dass die Wertigkeit des Begriffes Spontangärung für die Vermarktung der Weine mehr und mehr in den Focus der Kontroverse gelangt.
Um diese Wertigkeit und Qualität der Spontangärung für unsere deutschen Spitzenweine langfristig zu erhalten, bedarf es jedoch einer klaren Definition des oenologischen Verfahrens innerhalb der Branche. Eine klare Abgrenzung gegenüber den, oben genannten, „Sponti-Ähnlichen Verfahren“ ist die notwendige Konsequenz hierbei. Eine Spontangärung im eigentlichen Sinne ist eine Vergärung eines Mostes bzw. einer Maische ohne jeglichen Zusatz einer handelsüblichen Reinzuchthefe oder anderweitig selektionierten Hefe. Dies schließt selbstverständlich auch die Selektion von Hefen im eigenen Betrieb aus. Demzufolge ist das beimpfen eines Mostes mit einem bereits angegorenen Most zwar ein geeignetes Verfahren um die Gärsicherheit zu erhöhen, entspricht aber nicht der Definition der Spontangärung. Ferner ist es auch unerheblich zu welchem Zeitpunkt der Zusatz von selektionierten Hefen erfolgt. Eine Überimpfung mit einer Reinzuchthefe zur Sicherstellung der Endvergärung kann folglich auch nicht mehr Spontangärung bezeichnet werden. Die Verwendung von Nicht-Saccharomyceten als Mischkultur oder auch in einer zeitlich gestaffelten Beimpfung verleiht zwar den Weinen einen „Sponti-Ähnlichen“ Charakter, die oben beschriebene Definition wird aber ebenfalls nicht erfüllt.
Ausgehend von dieser Definition wird sehr schnell klar, dass die eigentliche Spontangärung dem Spitzensegment der Qualitätspyramide vorbehalten bleiben sollte. Denn nur in diesem Bereich lassen sich die erhöhten Aufwendungen für die Gärführung bzw. Gärkontrolle tragen. Hinzu kommt das eine erfolgreiche Spontangärung zwingend ein sehr hochwertiges, physiologisch reifes und absolut gesundes Lesegut voraussetzt. Ein derartiges Lesegut lässt sich aber wiederum nur durch gewissenhafte weinbauliche Maßnahmen und moderate Erträge erzielen. Die notwendige längere Ausbau- und Entwicklungsdauer sowie die Vielschichtigkeit und Individualität der Sponti-Weine schließen ebenfalls eine Positionierung in tiefer liegenden Qualitätssegmenten aus. In der Mitte der Qualitätspyramide stellen die „Sponti-Ähnlichen“ durchaus eine sinnvolle Bereicherung für den Weinausbau dar, eine klare Abgrenzung nach oben sollte aber eingehalten werden um die Wertigkeit des Begriffes zu erhalten.


Abb. 4: Hefepyramide

Es stellt sich nun die Frage ob, es sich bei der Spontangärung um ein traditionelles oder ein „trendiges“ Verfahren handelt. Betrachtet man die Geschichte der Gärung, so war die Spontangärung bis vor etwa hundert Jahren das einzig mögliche Verfahren. Aber auch danach gab es in der Weinbereitung immer die Tradition der zufällig vergorenen oder im Extremfall auch verunglückten Weine. Die Tradition der Spontangärung ist und bleibt daher unumstritten. Für einen Trend sprechen jedoch ebenfalls zahlreiche Argumente. z:B:
  • Stellenwert in der Diskussion
  • Authentische, regionale Weine
  • Natürliche Weine
  • Nicht-reproduzierbare Weine
  • Innovative Wein

Es gibt also durchaus auch den Trend Spontangärung. Die Branche hat es aber in Hand ob dieser Trend, wie so viele Trends zuvor, zu einem kurzfristigen Vergnügen wird oder langfristig ein Instrument der Weinvermarktung bleibt.
Neben der bereits beschriebenen Begriffsklarheit müssen hierzu auch nachvollziehbare Qualitätsanforderungen an „Sponti-Weine“ definiert werden. und fehlerhafte Weine als solche benannt werden. Nur dann besteht die Chance, dass aus dem Trend Spontangärung ein traditionelles Verfahren mit langfristigem Erfolg wird.

Spontangärungnetz Ulrich Hamm.pdf

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